Zwei ungewöhnliche Berichte:
Vor Jahren hatte ich in gelesen, dass es Muslime gibt, die den Original-Wortlaut des Korans (ähnlich umfangreich wie die Bibel) auswendig aufsagen können, ohne ansonsten das Hoch-Arabisch zu beherrschen. Sie würden diese Meisterleistung des Auswendiglernens dadurch leichter bewältigen, dass sie beim Einprägen (und beim Zitieren) ihren Körper stark rhythmisch bewegten.
Der Weiterbildungs-Chef eines international tätigen Unternehmens erzählte mir, dass er als Schüler die Altgriechisch-Vokabeln im Auf- und Abgehen gelernt habe und dass er noch heute – 35 Jahre später – viele dieser Vokabeln leichter beim Auf- und Abgehen wiedergeben könne.
Und wieder mal ein persönliches Beispiel:
Als mein Sohn anfing, die ersten Englisch-Vokabeln zu lernen, hatte er unter anderem bei ‚Stuhl / chair‘ und bei ‚bitte / please‘ immer wieder das Problem, dass er sich nicht an die jeweilige englische Entsprechung erinnern konnte. Ich gab ihm deshalb folgenden Tipp, der ihm zunächst nur spaßig vorkam: „Sag‘ doch mal ‚chair‘ und lass dich dabei auf deinen Stuhl plumpsen.“ bzw. „Sag‘ doch mal ‚please‘ und mache dabei eine weit ausladende Bewegung mit dem Arm, so als würdest du – wie ein Diener – jemanden in einen Raum hineinbitten.“
Später beim Abfragen des Vokabel-Päckchens hatte er bei diesen Vokabeln zunächst wieder sein Erinnerungsproblem. Dann fiel ihm aber die dazugehörige Körperbewegung ein … und danach sofort auch die englische Vokabel!
Ein weiteres Beispiel:
Bei der Erörterung des Begriffs ‚Gruppe‘ innerhalb eines Seminars zur Vorbereitung auf die Ausbildereignungsprüfung stelle ich die zusammengehörenden Begriffe in folgender Reihenfolge dar:
o mindestens zwei Personen
o unmittelbare Kommunikation
o Wir-Gefühl
o gemeinsames Ziel
o Rollenverteilung und
o Normen / Spielregeln
Meine Körperbewegungen hierzu:
- Ich deute mit der Hand auf eine imaginäre Person (= mindestens zwei Personen).
- Wir ergreifen unsere Hände und bilden einen imaginären Kreis (= unmittelbare Kommunikation).
- Wir reißen unsere noch verbundenen Hände in die Höhe (= Wir-Gefühl).
- Dann zeigen die Arme schwungvoll in die Richtung eines imaginären großen Zielbandes (= gemeinsames Ziel).
- Bei der Zielfahne angekommen, bücken wir uns, um unterschiedliche Masken aufzuheben, die wir vor unsere Gesichter halten (= unterschiedliche Rollenverteilung).
- Gleich anschließend bücken wir uns noch einmal und heben die Drehbücher auf, nach denen wir nun ein Theaterstück spielen (= Normen / Spielregeln).
Deshalb meine Empfehlung: Suchen Sie nach – notfalls kreativen – Möglichkeiten, sich schwierig erscheinende Information mit Bewegungen einzuprägen! Die Lerninhalte werden auf diese Weise zusätzlich im Zusammenhang mit den Bewegungen verankert.
Lernen bedeutet immer Lernen in irgendwelchen Zusammenhängen: Im Gehirn werden beim Lernen Verknüpfungen / Assoziationen (= Zusammenhänge) gebildet, und zwar bewusst oder unbewusst!
Die besten Assoziationen / Verknüpfungen sind Sinn-Zusammenhänge; sie ergeben sich beim verstehenden Lernen – siehe LernTipp, Nr. 6.
Wahrscheinlich haben Sie es auch schon einmal erlebt, dass ein bestimmter Duft oder eine bestimmte Melodie Sie an ein Urlaubserlebnis oder eine bestimmte Person erinnert hatte. Hier hatte das Gehirn unbewusst den Duft oder die Melodie mit einem Erlebnis bzw. einer Person verknüpft / den Zusammenhang hergestellt.
Beim herkömmlichen Vokabel-Lernen (stupides Auswendiglernen / Pauken) versuchen wir, (nur) einen klanglichen Zusammenhang zwischen der deutsch-sprachigen und der fremd-sprachigen Vokabel herzustellen, zum Beispiel ‚Stuhl‘ – ‚chair‘.
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